Kritik der Zeit - eine Klarstellung

(Webpublikation, von Marco Hirt)


Der neue Mensch muss kommen, der alte Mensch muss gehen (frei nach Herbert Marcuse, quasi - aber wir können das heute aus einer ganz anderen und viel fundierteren Position heraus sagen).

Offenbar genügt es nicht, einfach nur ein positives Weltbild aufzustellen, offenbar muss man das Versagen des herrschenden Weltbildes klar und deutlich aufzeigen.

Das moderne Weltbild hat weitgehend versagt (die spätmoderne [universitäre] Philosophie hat dies in ihrer ganzen Kulturkritik schon festgestellt, ohne dieses Versagen genau zu benennen und/oder irgendwelche klaren Schlüsse daraus zu ziehen, sie bleibt in der reinen Kritik stecken... - Alternativen scheint es also nicht zu geben, weder alte, noch neue). Die Probleme sind offenkundig: seit 1914 (wenn nicht schon seit 1798) herrscht eigentlich ein dauernder, nicht endenwollender Weltkrieg, in welchen praktisch alle Nationen der Welt verwickelt sind, d.h. die Welt ist vollkommen zerstritten: sie hat weder nach dem sogenannten Ersten, noch nach dem sogenannten Zweiten Weltkrieg eine wirkliche und echte Friedenszeit erlebt: nach dem sogenannten Ersten Weltkrieg wurde trotz dem Völkerbund an mehreren Fronten in Osteuropa weitergekämpft (direkt involviert in diese Kämpfe waren die Sowjetunion, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Ungarn, Türkei, Armenien und Griechenland), bevor das faschistische Italien in einem völkerbundswidrigen Krieg Äthiopien überfiel, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde trotz der Vereinten Nationen (UNO) v.a. in Asien weitergekämpft (Irankrise [mit Atombombendrohung der USA gegen die Sowjetunion], Französischer Indochinakrieg, Erster Indisch-Pakistanischer Krieg), bevor - bereits fünf Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg [!] - der Koreakrieg ausbrach, der erste grosse Stellvertreterkrieg zwischen der USA und der Sowjetunion im Kalten Krieg: ein Weltfrieden, wie er eigentlich gefordert wäre nach einem Weltkrieg (damit die Welt wenigstens ein bisschen zur Ruhe hätte kommen können), sieht anders aus (und immer wieder ist heute die Rede sogar von einem möglichen 'Dritten Weltkrieg' [aller guten Dinge sind drei, aller schlechten aber auch...]). Die Umweltproblematik, die wir seit ein paar Jahrzehnten kennen, spricht für sich und wird ein ewiges Problem für den technologischen Menschen bleiben (die Globale Erwärmung stellt die Menschenwelt grundsätzlich in Frage), die Gesellschaftsprobleme ebenfalls (inkl. Kapitolstürmer, Gilets Jaunes und Bundeshauszaunrüttler [ja: am Zaun des Regierungsgebäudes der Direkten Demokratie wird heute ebenfalls gerüttelt, wie an jedem anderen Zaun auch] - von den ganzen oberschrägen und -skurrilen Amokläufen und Terrorattacken dieser Zeit gar nicht zu sprechen: so etwas hat es in der Geschichte der Menschheit in dieser Form und Häufung noch nie gegeben). Das Gute in der Menschheit (d.i. Vernunft, Fürsorge und Liebe) ist auf dem Rückzug, das Schlechte, Falsche und Böse (d.i. Arroganz, Ignoranz, Impertinenz, Inkompetenz, Korruption und Mobbing) im Vormarsch.

Das moderne Weltbild besteht aus fünf Säulen: Wissenschaft, Wirtschaft, Demokratie, Medien und Psychologie (diese sollten für eine bessere Welt sorgen - das war unsere Hoffnung am Anfang der Neuzeit, der Moderne und der Spätmoderne). Die (technologische) Wissenschaft* kann die letzten Fragen noch immer nicht beantworten und wird das vermutlich nie können - ihre Technik beinhaltet teils nicht verantwortbare Risiken (und sie kann keine wissenschaftliche Moral hervorbringen für den Umgnag mit der Technik [jedenfalls tut sie dies nicht - abgesehen von ein paar wenigen philosophischen Versuchen]). Die (liberalistische) Wirtschaft bringt keine faire Verteilung der produzierten Güter zustande, noch eine faire Vergütung für die Verwendung von Ressourcen. Die (präsidiale, ebenso wie die direkte) Demokratie steht in einer tiefen (Vertrauens-) Krise: die politisch gesplatene Gesellschaft sorgt für immer mehr 50:50 oder 51:49-Entscheidungen, mit denen keine nachhaltige Politik betrieben werden kann, und die Wahlbeteiligung ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten in fast allen demokratischen Ländern gesunken - am Schlimmsten in der Direkten Demokratie der Schweiz, wo sie seit den späteren 1970-er Jahren [!] unter 50% liegt [!! - d.h. das Volk soll bestimmen, aber es macht gar nicht (mehr) mit]. Die (klassischen wie die neuen/sozialen) Medien bieten uns eine (all-) tägliche, immer skurriler werdende, zusammenhangsloses Infotainmentinfernoshow, ohne auf die Probleme dieser Zeit und Welt wirklich adäquat einzugehen. Die (behavioristische) Psychologie verharmlost die gesellschaftlichen Probleme und schiebt alles auf das wehrlose und ohnmächtige Individuum ab (trotz über 100 Jahren moderner Psychologie werden die gesellschaftlichen Probleme immer grösser, nicht kleiner [!]). Dies sind schwierige Fakten (auch und gerade für mich) - und all dies steuert (offenkundig) auf eine sehr schwierige Zeit zu: das ist das Mindeste, was man davon sagen kann. Trotzdem arbeitet niemand (ausser ich) in dieser Gesellschaft und Welt, in welcher nach glaubwürdigen Quellen 20% der jungen Menschen (zwischen 15 bis 24 Jahren) arbeits- und ausbildungslos sind, 10% der Menschen an Hunger leiden und 50% der Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben (usw. usf., etc. etc.), an einem neuen Weltbild, um den Versuch zu wagen, diese Welt und Gesellschaft noch zu retten. Offenbar haben sie alle geistigen Quellen und Kräfte dermassen zugestellt und verbaut (obwohl sie eigentlich ja gerade in dieser Zeit für alle frei verfügbar wären [wie lange noch?]), dass dies schon überhaupt gar niemandem mehr in den Sinn kommt... Das ist für mich der Gipfel der Verantwortungslosigkeit der modernen Zeit. Wake up! Cool down. So what?

* Ich will die Leistungen und Verdienste der Wissenschaft und ihrer Technik gewiss nicht schmälern: sie sind enorm und immens. Aber alles hat seine zwei Seiten, und hier geht es um die Kritik (das gilt auch für die anderen hier kritisierten Gebiete - es liegt an den Menschen, das zu tun, was Paulus in der Bibel sagte bzw. vorgeschlagen hat: alles zu prüfen und das Gute zu bewahren). Die negativen Seiten der Wissenschaft und ihrer Technik haben das Potential, die (Menschen-) Welt zu zerstören (wie die Menschen dies - d.h. diese epochale Wendung in der Conditio humana - psychisch verarbeiten werden/können, steht noch in den Sternen geschrieben: der Beginn der [ewigen] Zeit von dieser Erkenntnis kann uns Sorgen bereiten).

Die heutige Lage ist äusserst heikel: die 'freie' Welt hat weitgehend versagt, die Ansichten ihrer (politischen) Gegner sind aber noch um ein Vielfaches abstruser und unzulänglicher (die reine Kritik führt zu einem gegenteiligen bzw. noch grösseren Problem - es geht um eine vernünftige Synthese). Trotzdem: die Probleme dieser heutigen Zeit und Welt sind so gross und bedeutend, dass man nicht länger schweigen kann darüber (und es ist ja kein einziges [!] Zeichen von irgendeiner [Ver-] Besserung in irgendeinem Punkt in Sicht). Haben wir noch die Zeit, die Resultate ihrer weiteren Kriege abzuwarten (die sie vermutlich gerne bis ins Unendliche fortsetzen möchten)? Man schwankt hin und her zwischen Panikmache (Greta Thunberg) und Beschwichtigung. Ich rufe hier bloss zu einer Diskussion über die Schwere der Probleme und über eine globale Lösung für diese Probleme auf. Nur eine Diskussion...

Greta Thunberg: «This is an emergency. [...] This emergency is being completely ignored by the politicians, the media and those in power. Basically, nothing is being done to halt this crisis despite all the beautiful words and promises from our elected officials.» (Bristol Climate Strike, 28.2.2020).

Fritjof Capra: «As the twenty-first century unfolds, it is becoming more and more evident that the major problems of our time - energy, the environment, climate change, food security, financial security - cannot be understood in isolation. They are systemic problems, which means that they are all interconnected and interdependent. Ultimately, these problems must be seen as just different facets of one single crisis, which is largely a crisis of perception. It derives from the fact that most people in our modern society, and especially [!?] our large social institutions [??*], subscribe to the concepts of an outdated worldview, a perception of reality inadequate for dealing with our overpopulated [?**], globally interconnected world.» (The Systems View of Life: A Unifying Vision, 2014).

* Hier mache ich auch meine Fragezeichen [! - ebenso wie etwa bei Rudolf Steiners Ansichten über den Sozialismus (sonst auch, teils, eine interessante Quelle [wie gesagt: es geht um eine vernünftige Synthese]). Was Capra damit genau sagen und ausdrücken will, ist mir vollkommen schleierhaft. Das (ideologische) Nichtnachvollziehen der sozialen Errungenschaften von einem gewissen bis grossen Teil (v.a.) der Elite ist eine der schlimmsten Fehlleistungen dieser Zeit (und im ökologischen Bereich droht sogar ein ähnliches Desaster! Bis zur Wissenschaftsverleugnung, d.h. zur Verleugnung von klaren wissenschafltichen Fakten. Dies entspricht einer eigentlichen entwicklungs-geschichtlichen Verweigerung. Und wenn gar ein neuer Wilder Westen - in der heutigen technologischen und geosozialen/-politischen Situation [!] - die Alternative sein soll zur sozialliberalen Entwicklung, dann fehlen einem jegliche Worte)].

** Die sogenannte 'Überbevölkerung' ist nicht das (Haupt-) Problem. Welcher Staat soll denn überbevölkert sein? Und wenn kein Staat es wirklich ist, warum sollte denn die Welt es sein? (Das ist eine gefährliche Argumentationsbasis, welche uns nicht weiterbringen wird [vgl. Pol Pot, der schrecklichste Diktator der Menschheitsgeschichte, welcher die Leute aus der (Haupt-) Stadt vertrieben und zum Landleben gezwungen hat (Stichwort: Steinzeitkommunismus)]. Wir müssen Lösungen finden, egal wieviele Menschen in der Welt sind. Wenn Millionenstädte Wege finden [und das tun sie, meistens], dann muss es auch der Menschheit insgesamt gelingen, Wege zu finden. Und wenn unser Lebensstil nicht [mehr] zu dieser Zeit passt, dann müssen wir ihn ändern. Das Argument der Überbevölkerung brachte Thomas Malthus schon im 18. Jahrhundert [! - 1798 ("An Essay on the Principle of Population")***], und es ist seither nicht überzeugender geworden [jedenfalls nicht als Hauptargument].)

*** Weltbevölkerung um 1800: rund 1 Mia., heute: das Achtfache. Laut Prognosen soll sie bis 2084 weiter wachsen und dann schrumpfen.

Wenn etwa Hillenkamp von einer 'negativen Moderne' spricht (2016) oder Lagasnerie von einem 'Denken in einer schlechten Welt' (2017), so dürfen wir bei einer solchen Radikalkritik eben auch nicht stehenbleiben (wie attraktiv eine solche auch gerade für junge, suchende Menschen, die allgemein dazu neigen, die Welt der Erwachsenen/Alten zu kritisieren, teils erscheinen mag). Es gilt positive Konzepte für die Zukunft zu entwickeln, welche auch entsprechend fundiert sind. Ausdrücklich muss ich dazu erwähnen, dass eine der häufigsten heutigen philosophischen Fehleinschätzungen darin liegt, das Poststrukturalistische mit dem Postmodernen zu verwechseln - das sind zwei ganz verschiedene Dinge (auch wenn sie vielleicht irgendwie ähnlich tönen, was sie aber eigentlich gar nicht tun, denn das eine bezieht sich auf den Strukturalismus, das andere auf die Moderne: das eine ist eine Kritik an der Vergangenheit, das andere ein Konzept für die Zukunft [bzw. ein Ansatz dazu - einer von verschiedenen Ansätzen]). Die postmoderne Philosophie hat ihre Wurzeln bei Philosophen wie Lyotard oder Welsch und keinen anderen (schon gar nicht etwa bei Leuten wie Derrida und ähnlichen). Diesem Fehler bin ich schon oft in den Medien begegnet, und er findet sich sogar in der Wikipedia [! - und dementsprechend vermutlich auch in der Künstlichen Intelligenz [!! - alle Fehler in unserem Wissenssystem multiplizieren und potenzieren sich in der Wikipedia und in der Künstlichen Intelligenz].

Was wir heute brauchen, ist eine Synthese (wie die Synthese von den eigentlich gegensätzlichen Philosophien des Rationalismus und des Empirismus am Anfang der Neuzeit die heutige Wissenschaft begründete, muss heute eine Synthese von allem die zukünftige Zeit und den neuen Menschen begründen - darum geht es in meiner Philosophie). Den Ruf nach einer solchen Synthese von allem können wir vielleicht bereits bei Denkern entdecken wie (nach Lebenszeit/Geburtsdatum aufgelistet): Georg Wilhelm Friedrich Hegel (Dialektik, Synthese), Rudolf Steiner (Anthroposophie, 'Geisteswissenschaft' - Synthese vom östlichen und westlichen Denken [doch hier geht es auch um teils ziemlich obskure Esoterik - das ist nicht jedermanns/jederfraus Sache]), Rabindranath Tagore (Integration, Kontemplation), Swami Vivekananda (Toleranz zwischen den Religionen, Universelle Toleranz), Jan Christiaan Smuts (Holismus), Martin Heidegger (Sein - speziell: Ende der Philosophie und Aufgabe des Denkens als Versammlung des Ganzen und Bestimmung der äussersten Möglichkeiten), Herbert Marcuse (Kritik wider die Eindimensionalität, Mehrdimensionalität), Charles W. Morris (Weltreligion), Hans Jonas (Verantwortung; Mensch, Natur und Technik), Jean Gebser (Integralität, Integrales Bewusstsein), Wilhelm Weischedel (Verantwortung), Daniel Bell (Ende der Ideologien), Jean-François Lyotard (Postmoderne), Hans Küng (Ökumene, Weltethos), Frederic Vester (Vernetztes Denken), Fritjof Capra (System, Systemisches Denken), Johannes Heinrichs (Integrale Philosophie), Wolfgang Welsch (Postmoderne, Transkulturalität) oder Ludger Heidbrink (Verantwortung, Postliberalismus). Sicher gibt es noch einige weitere Namen dazu, aber das sind diejenigen, die mir besonders aufgefallen und geblieben sind, in diesem Zusammenhang. Im Kopf geblieben sind mir auch die Worte des Reggaemusikers Burning Spear (eigentlich: Winston Rodney), mit welchen dieser sein Konzert am Montreux Jazz Festival 2001, in der Schweiz, eröffnete (in einem Shirt mit dem Konterfei von Haile Selassie): «We are here to pick up the pieces. The pieces, yes, the pieces. So let the place look good, my brothers. Let the place keep clean, my sisters.» In der heutigen Genderdebatte könnte man das auch umgekehrt formulieren, aber ich lasse das einmal so stehen. Meine Philosophie steht also keineswegs irgendwie im luftleeren Raum, sondern sie ist verbunden mit vielem/allem (und - um nur ein Beispiel zu nennen - mit Kant ebenso wie mit Hegel, notabene [u.v.a.]: wir brauchen immer beides: die Synthese und die Differenzierung - es geht ja hier nicht um reine Kontemplation, sondern um Philosophie. Die [grosse] Schwierigkeit einer solchen [universalistischen/generalistischen] Philosophie liegt darin, gleichermassen ein umfassendes Verständnis wie auch eine klare Richtung zu begründen: das Eine [Verständnis ohne Klarheit] oder das Andere [Klarheit ohne Verständnis] reicht alleine nicht aus für einen vernünftigen Weg in die Zukunft). Ich vertrete klare Werte, wie Demokratie (d.i. eine Politik, in welcher das Volk in der Verantwortung steht), Christus (ich sehe ihn als zentrale religiöse Figur [Messias - was nicht bedeutet, dass er immer richtig interpretiert wird]) und Utilität (was zum Guten nützt, ist richtig [jedoch ist es oft schwierig, dies zu beurteilen!]); die zentralen Grundwerte und Menschheitsaufgaben sehe ich in der Sozialgerechtigkeit und der Umweltverträglichkeit. Trotzdem neige ich zu einer integralen Denkweise (mit welcher alleine weitere Übertreibungen, wie sie in der Vergangenheit vorgekommen sind, und offenbar vorkommen mussten, in der Zukunft [vielleicht] vermieden werden können).

Im Juli/August 2024.







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