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Sternstunden der Eidgenossenschaft






Es gibt Zeiten, in welchen die Geschichte eines Landes mehr in den Vordergrund rückt, und es gibt Zeiten, in welchen diese mehr in den Hintergrund tritt. Wir spüren vielleicht, dass dies heute eine Zeit ist, in welcher die Geschichte wieder einmal etwas mehr in den Vordergrund rückt, aus welchen Gründen auch immer. Es werden heute auch so viele Bücher über die Schweiz geschrieben, wie wahrscheinlich selten je zuvor. Es ist eine Zeit also, u.a., der Auseinandersetzung mit der Geschichte auch; daher hier auch diese kleine Geschichtsdarstellung: anhand von zehn Sternstunden der Eidgenossenschaft (sowie einer kleinen internationalen Betrachtung).

Das Geschichtsverständnis in der Schweiz ist mangelhaft, und geprägt von grossen Auslassungen ebenso wie gewagten Fokussierungen. So steht zum Teil Uraltes im Vordergrund, während das moderne und aktuelle kaum wahrgenommen bzw. allzu rasch wieder vergessen wird. In den Schulen - und in den Medien - hört man von manchem praktisch nichts, dafür sehr viel von alten Mythen, was auch sein darf (aber nicht das Einzige sein kann [kaum ein anderes Land hat eine so bedeutende Mythenkultur wie die Schweiz, was in manchem auch nützlich sein, doch die Mythen dürfen den Blick auf das Zeitgeschehen nicht vollkommen verschleiern]).

Kurzfassung der Schweizer Geschichte. Wir müssen heute von einem mythologischen Anfang sprechen (Rütlischwur, Eidgenossenschaft, Bundesbrief) - zwei Gründe können dafür angeführt werden: ein politischer (der Tod Rudolfs von Habsburg, und eine damit erwartete politische Unsicherheit) und ein ökonomischer (der erste Gotthardübergangsweg). Für diese kleine Schweiz, die sich da in einem abgelegenen und bergigen Waldgebiet 1291 selbstständig unabhängig erklärte, interessierte sich langezeit überhaupt niemand (auch die deutsch-römischen Herrscher nicht [wenn es nicht gerade nahegelegene Habsburger waren]). Interessant ist indes nicht unbedingt die Urschweiz (Uri, Schwyz und Unterwalden), sondern es sind die Gebiete, die sich just danach der Ureidgenossenschaft anschlossen (Luzern 1332, Zürich 1351, Bern 1353) - v.a. mit dem umtriebigen Zürich und dem stolzen Bern kam das Fleisch an den Knochen dieser Eidgenossenschaft. Die Berner brachten auch einen gewissen Expansionsdrang mit, welcher die Eidgenossen um 1515 bis vor die Tore der Mailänder brachten, bevor sie in der berühmt gewordenen Schlacht von Marignano gegen die Franzosen den Kürzeren zogen und damit ihre Expansionspolitik (bis heute) beendeten (man sagt, zu diesem Zeitpunkt habe auch die eidgenössische Neutralitätspolitik begonnen). Die Expansion ging passiv weiter, indem immer neue kleine Gebiete sich dieser Eidgenossenschaft anschlossen. Den Westfälischen Frieden nach dem grossen Dreissigjährigen Krieg in Europa (1618-1648) nutzten die Eidgenossen um ihre Unabhängigkeit auch juristisch abzusichern (1648).

Freiheit und Not*, Bauern und Heimarbeiter, Heimatschutz und Welthandel, Banker und Rohstoffhändler machten aus der Schweiz das, was sie heute ist. Die Schweizer hatten weder Rohstoffe noch Meerzugang, was ihre Wirtschaft besonders flexibel machte. Die Schweiz war (durch die Flexibilität der Heimarbeiter) früh die zweithöchst industrialisierte Nation Europas (hinter Grossbritannien, wo die Industrielle Revolution begann), galt aber wiederum später noch als das Armenhaus Europas. Der soziale Ausgleich liess offenkundig zu wünschen übrig (was besonders auch für die Randgebiete galt). Die Schweiz hatte nie eigene Kolonien, doch ihre Kaufleute zeigten sich (gerade deswegen?) besonders offen für den Frei- und Welthandel. Schlecht waren dagegen die politischen Strukturen. Um das Jahr 1800 befanden sich gleichzeitig die Franzosen, die Österreicher und die Russen im Land - es bliebt die Fremdherrschaft Napoleons, welcher staatliche Strukturen anregte, die sich dann nach einigen Wirren und einem Bürgerkrieg 1848 im heutigen Bundesstaat realisierten. Die alten ökonomischen Tugenden waren in der Verbindung mit den neuen politischen Strukturen sprichwörtlich Gold wert. Es kam dazu, dass die Banken von den ständigen Unsicherheiten im kriegsgeplagten Europa profitierten. Napoleon war es auch, welcher im frühen 19. Jahrhundert die Erweiterung der Eidgenossenschaft zur heutigen viersprachigen Schweiz in die Wege leitete.

* Die Schweizer waren früher in ganz Europa bekannt als Soldaten (Reisläufer) und Stallknechte, und dies sicherlich nicht ohne Grund. Das Historische Lexikon der Schweiz nennt etwa schlimme Hungersnöte 1438, 1530, 1571-74, 1635-36, 1690-94, 1770-71 und 1816-17. 'Schweizer' war früher eine Berufsbezeichnung für Hirten und Stallknechte (Stallschweizer), Melker und Sennen.

Mit dem Referendums- und dem Initiativrecht (1874/1891) bildete sich durch einen erstaunlichen und einmaligen politischen Mut im späteren 19. Jahrhundert die Direkte Demokratie heraus. Die Schweiz konnte sich aus beiden Weltkriegen relativ gut heraushalten und erlebte in ihrer goldenen Zeit (etwa 1950-2000) ihre Hochblüte. Problematisch wurde für sie das Aufkommen der Europäischen Union EU. Die alte Bauernpartei der SVP bezog - für die kleinbetriebliche und international wenig konkurrenzfähige Landwirtschaft, aber gegen die international tätige Wirtschaft und gegen den Bundesrat - mit sehr viel Propaganda Stellung gegen einen EU-Beitritt und stieg damit in wenigen Jahren von der kleinsten zur grössten Bundesratspartei auf. Politische Umfragen der letzten Zeit zeigten teils bis zu 85%-Werte der Ablehnung eines EU-Beitritts. Summa summarum: die Schweizer Geschichte ist unglaublich spannend (umso erstaunlicher, dass sich so wenige Leute dafür interessieren). Heute steht die Schweizer Politik vor schwierigen Problemen und neuen Herausforderungen, und man darf gespannt sein, wie sie diese bewältigen wird.

P.S. Diese Seite ist älteren Datums - ein paar Sachen wurden der Erstellung hineingeflickt. Die Seite bräuchte vermutlich wieder einmal eine Generalüberholung. Das werde ich machen, sobald ich Zeit dafür habe.



Die Gründung der Eidgenossenschaft. Die Gründung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (im August) 1291 ist eine höchst mythische Sache, trotzdem gibt es auch klare historische Anhaltspunkte. Kaum eine andere Nation der Welt hat einen derart bedeutenden Gründungsmythos. Diese Gründung erfolgte nicht nur auf der Basis einer gemeinsamen Verteidigung gegen aufdringliche äussere Gegner, sondern es gab auch noch - wie könnte es auch anders sein? - einen ebenso bedeutenden handfesten wirtschaftlichen Grund: die Eidgenossen wollten sich vermutlich auch gemeinsam die Vorherrschaft über die eben erst erschlossene (zu jener Zeit sehr bedeutende) Gotthardroute sichern. Eine Eidgenossenschaft hatte immerhin auch den Vorteil, dass es keinen grösseren Streit unter ihnen deswegen geben würde. Dem deutschen König war die Sache so wichtig (1230 wurde der Gotthard für den Verkehr geöffnet), dass die Urner u.a. dafür den Freibrief bekamen (1231, dann auch die Schwyzer 1240, erst 1309 Unterwalden - die Schweizer hatten auch wertvolle Söldnerdienste für den König geliefert). Ebenfalls sehr bedeutend war wohl der Tod des mächtigen Rudolf von Habsburg (im Juli 1291, welcher im Februar 1291 noch die Schwyzer Unabhängigkeit garantiert hatte: nach seinem Tod trat eine unsichere Herrschaftssituation ein). Zum Erfolg der Gründung gehörte auch das baldige und stetige Wachstum der Eidgenossenschaft in den kommenden Jahrhunderten.

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Die alten Schlachterfolge. Soll man heute noch stolz sein auf die alten Schlachterfolge? Das wäre sicher vermessen und daneben. Natürlich aber nehmen diese Ereignisse in der Geschichte immer noch einen relativ grossen Platz ein - etwa die Schlacht von Morgarten 1315 oder jene von Sempach 1386. Viele kennen aus der alten Schweizer Zeit fast nur noch diese Ereignisse. Bis zur 1515 verlorenen Schlacht bei Marignano gegen die Franzosen, als die Schweizer gegen Mailand vordrangen, galten die Schweizer Heere als nahezu unbesiegbar (nach dieser Niederlage, die - zusammen mit einer zweiten noch 1522 in der Schlacht bei Bicocca, an der Seite des französischen Königs - einen tiefen Eindruck bei den Eidgenossen hinterliess, folgte die Aera der Schweizer Neutralitätspolitik). In den bedeutendsten früheren bzw. ersten Schlachten ging es jeweils gegen die Habsburger. Manchmal werden diese noch heute mythischerweise als Schweizer Feinde bezeichnet; das hat aber verschiedene fragwürdige Aspekte (besonders, wenn man die Habsburger mit den Österreichern gleichsetzt). Die habsburgische Ausgangsburg liegt in der heutigen Schweiz: im örtchen Habsburg im Kanton Aargau. Das heisst: nach heutigem Stand der Dinge waren die Habsburger eigentlich so etwas wie ausgewanderte 'Schweizer' (nach den Schlachten gab es auch den Friedensvertrag mit Österreich 1355, und zudem waren es ausgerechnet die Zentral- und Innerschweizer Orte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug, welche im Verlauf der Kappeler Religionskriege gegen die übrigen Eidgenossen 1529 ein Bündnis mit Österreich schlossen ['Christliche Vereinigung']). Die alten Schlachten waren sicher wichtig und bedeutend zur Sicherung bzw. Absicherung der alten, noch sehr kleinen Eidgenossenschaft.

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Der Kappeler Landfrieden. Wenn es in der frühen Eidgenossenschaft grossen Streit gegeben hat, so war dafür nicht immer aber oft die Religion verantwortlich. Besonders zur Zeit der Reformation gab es - wie teils auch im übrigen Europa - schlimme Glaubenskriege zwischen den Katholiken und den Protestanten (und da die Schweizer im Streiten und Widerstreiten zuweilen recht tüchtig sein können, waren diese religiösen Konflikte auch teils sogar heftiger als im übrigen Europa). Als diese überhand zu nehmen drohten, verbündeten sich die katholischen Orte mit Österreich, was einen Ausgleich der Kräfte bewirkte - festgehalten im Kappeler Landfrieden 1531. In diesem wurde (nach einem militärischen Sieg der Katholiken) der Streit beigelegt - auch dies mit einem mythischen Hintergrund: bei der berühmten Kappeler Milchsuppe 1529 - und die konfessionelle Spaltung des Landes wurde anerkannt. Das Problem waren v.a. die Minderheiten: die Leute sollten je ihren Glauben behalten dürfen und die konfessionellen Minderheiten sollten in den verschiedenen Landesteilen geschützt werden. Noch war dies allerdings lange nicht das Ende der Religionskriege in der Schweiz, welche weitergingen bis zum Sonderbundskrieg (1847 - d.h. während über 300 Jahren lebte die Schweiz, vor der Gründung des Bundesstaates, in einem mehr oder weniger deutlich sich manifestierenden Bürgerkriegszustand). Immerhin aber ist diese Kappeler Milchsuppe mythisch bedeutend geblieben: als ein Symbol der Rückkehr zur Eidgenossenschaft nach einem grossen Streit. Natürlich sind solche Symbole des Friedens besonders wichtig und bedeutend, die Eidgenossenschaft ist ja auch konzipiert als ein Bund, der auf Friedensordnungen zielt.

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Das Schweizer Wirtschaftswunder. Dieses ist nicht vorwiegend im 20. Jahrhundert anzusiedeln, mit dem heutigen Dienstleistungssektor, sondern es fand schon sehr viel früher statt: "Ende des 18. Jahrhunderts war nach Meinung der Zeitgenossen die Schweiz das am meisten industrialisierte Land des europäischen Festlandes, was heisst, dass sie weltweit nach England den zweiten Rang belegte." (Lorenz Stucki: "Das heimliche Imperium - wie die Schweiz reich wurde", 1968*). Es war die Zeit der Weber, Sticker und Färber - also die Zeit der Textilindustrie im Anfang der industriellen Entwicklung in Europa (die Textilindustrie war v.a. im Osten der Schweiz sehr bedeutend, während im Westen v.a. die Uhrenindustrie Fuss fasste; es gab auch bedeutende internationale Kontakte, nicht zuletzt durch die damals schon zahlreichen Auslandschweizer). Die Schweiz war damals noch gar kein wirklicher politischer Staat; sie war zwar einer der ersten modernen demokratischen Nationalstaaten, hatte aber zuvor weniger staatliche Strukturen als andere Länder. Keinen oder kaum einen Staat zu haben, bedeutete (im Gegensatz zu anderen Ländern) sowohl eine freiere Hand im internationalen Handel wie auch in der nationalen Produktion. Dieser Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs ging eine Zeit der wirtschaftlichen Armut voraus: die Schweiz war ein ländliches, eher ärmeres Land, und so mussten auch viele Schweizer als Söldner für fremde Kriegsmächte dienen, andere wiederum wanderten aus und suchten auf andere Art und Weise im Ausland ihr Glück (während auch viele der Ex-Söldner sich nach ihrer Dienstzeit im Ausland wirtschaftliche Existenzen aufbauten). Diese relativ vielen Auslandschweizer waren dafür verantwortlich, dass die Schweizer Wirtschaft auch und gerade im immer wichtiger gewordenen Exportgeschäft eine grosse Bedeutung hatte.

P.S. Das Datum 1714 bezieht sich hier übrigens auf die Einführung der Glarnerinnen durch Zürcher Baumwollspinnerinnen, welche ein Diakon namens Heidegger heimlich kommen liess, in die neuen industriellen Techniken, denn Glarus stand nachmalig an der Spitze der frühen industriellen Wirtschaftsentwicklung in der Schweiz und gilt daher auch als herausragendes Beispiel derselben. Zudem war gerade die technische Entwicklung in ländlichen Gebieten besonders wichtig und auch bedeutend! Der damals grösstenteils wenig begüterte landwirtschaftliche Stand besserte sich damit, d.h. mit industrieller Heimarbeit, seine Lebensgrundlagen auf: im Westen in der Uhrenindustrie, im Osten in der Textilindustrie; nicht wenige Bauern hatten irgendwo in einem Keller so ihre eigene kleine Heim-Fabrik, quasi, in welcher die gesamte Familie mitarbeitete. Bis ins 19. Jahrhundert arbeiteten noch 80% der Schweizer in der Landwirtschaft: im 19./20. Jahrhundert fand eine grosse Umwälzung von einer Landwirtschafts- zu einer (Industrie- und) Dienstleistungsgesellschaft statt.

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Die Gründung des Bundesstaates. Im späteren 18. und früheren 19. Jahrhundert begannen - vor, mit und nach der Besetzung des Landes durch die Franzosen - die grössten innenpolitischen Wirren, welche die Schweiz bisher erlebt hat. Man spürte, dass die politischen Strukturen für die kommende Zeit nicht mehr genügen würden, und man suchte nach einer politischen Staatsform für die Schweiz. Eine grosse Rolle spielte dabei einerseits der alte religiöse Konflikt zwischen den Reformierten und den Katholiken, andererseits der ewige Zwist zwischen den Föderalisten und den Zentralisten. 1848 setzten sich Letztere schliesslich mit der Gründung eines Bundesstaates - gegenüber dem vorherigen recht lockeren Staatenbund der Kantone bzw. Orte - durch. Es waren die neuen liberalistischen Kräfte, die im religiösen Sonderbundskrieg 1847 gewonnen hatten, welche diese eigentliche Staatsgründung einleiteten und durchsetzten; dem Schweizer Föderalismus wurde aber weiterhin ein grosser Raum zugestanden. Die Schweiz hatte einige Jahre nur zuvor ein vollkommen neues Gesicht bekommen: Wiener Kongress 1815* und ein paar Jahre zuvor waren die Ostschweiz, inkl. Graubünden, die Romandie und das Tessin hinzu gekommen. Die Schweiz war also auf einen Schlag viersprachig bzw. multikulturell geworden. Angesichts dieser grossen kulturellen Veränderungen im früheren 19. Jahrhundert ist die Staatsgründung erstaunlich, und umso erstaunlicher sind auch die guten Perspektiven, welche dieser neue Staat danach ausspielen konnte, inkl. der Begründung einer Direkten Demokratie.

* Eigentlich müsste man dieses Datum hier mitanführen: 1815. Es ist der andere Teil der Schweizer Geschichte, quasi - ein Teil der häufig verschwiegen wird (weil die Schweizer historisch nicht so gerne auf Fremdeinflüsse verweisen): die Zeit der Mediation (1803-1813) und eben dieser Wiener Kongress 1815. Die Mediation kam einer Besetzung der Schweiz durch französische Truppen gleich. Das kann heute nahezu verschwiegen werden, weil diese Truppen nicht sehr präsent waren im Land: Napoleon hielt die Schweiz an der langen Leine. Er nahm grossen Einfluss auf die Schweizer Politik (u.a. indem er die Mediationsakte diktierte, der Schweiz aber auch für die Zukunft eine Idee von einem Einheitsstaat verlieh), vermied aber gleichzeitig geschickt den Eindruck, hier als wirklicher und harter Besetzer vor Ort zu gelten (immerhin waren aber von 1798 bis 1802 französische Truppen in der Schweiz stationiert, nachdem Frankreich 1798 in die Schweiz eingefallen war [und damit den völkerrechtlichen Vertrag zwischen Frankreich und der Schweiz zum Ewigen Frieden von 1516 gebrochen hat (warum er dies tat, erklärte er aus seiner Sicht in einer Erklärung zur Mediation 1802)]). Als das politische Ende Napoleons näher kam, wurde die Mediation Napoleons aufgelöst. Europa führte zu seiner Neuorganisation nach den napoleonischen Kriegen den Wiener Kongress durch. Die Schweiz war dort ein bedeutendes Thema. Sie sollte für die europäischen Mächte als geschützte Pufferzone dienen. Ihr wurde in völkerrechtlicher Bestimmung eine ewige Neutralität und die Unverletzbarkeit ihres Territoriums geboten (was die europäischen Mächte dann auch tatsächlich während zweier Weltkriege vollumfänglich einhielten! [was dazu führte, dass die Schweiz eine von wenigen Nationen der Welt ist, welche die Kontinuität eines seit rund 200 Jahren unveränderten Staatsgebiets besitzt]), und sie erhielt sogar einen nicht unwesentlichen Landgewinn dazu, welcher zur modernen, viersprachigen Schweiz führte. Die Schweiz ging gestärkt aus dieser Zeit der napoleonischen Kriege hervor.

«Les puissances signataires de la déclaration du 20 mars reconnaissent authentiquement, par le présent acte, que la neutralité et l'inviolabilité de la Suisse et son indépendance de toute influence étrangère, sont dans les vrais intéréts de la politique de l'Europe entière. Elles déclarent qu'aucune induction défavorable aux droits de la Suisse, relativement á sa neutralité et á l'inviolabilité de son territoire, ne peut ni ne doit être tirée des événements qui ont amené le passage des troupes alliées sur une partie du sol helvétique.» (Déclaration des Puissances portant reconnaissance et garantie de la neutralité perpétuelle de la Suisse et de l'inviolabilité de son territoire, 20. November 1815 [im Anschluss an den Wiener Kongress getroffen, unterzeichnet von Repräsentanten von Österreich (Metternich, Wessenberg), Frankreich (Richelieu), Grossbritannien (Castlereach, Wellington), Portugal (Palmella, Lobo da Silveira), Preussen (Hardenberg, Von Humboldt) und Russland (Rasumofsky, Capo d'Istria)]).

«Die moderne 'dauernde Neutralität' der Schweiz geht auf den Wiener Kongress von 1814/1815 zurück. Eine neutrale Schweiz erwies sich für die beteiligten Grossmächte als sinnvolle Lösung im Rahmen der umfassenden Neuordnung der Grenzziehungen und politischen Verhältnisse in Europa, nachdem zuvor verschiedenste andere Vorschläge für das Territorium der Alten Eidgenossenschaft gemacht worden waren. So hätten sowohl Frankreich als auch Österreich die Schweiz gerne als Satellitenstaat beherrscht, Preussen wollte die Schweiz in den Deutschen Bund eingliedern, sogar die Einrichtung eines Königreichs auf dem Gebiet der Schweiz wurde diskutiert. Der Historiker Andreas Suter führt es auf diese "Vielzahl von sich überschneidenden und gegenseitig ausschliessenden Plänen" zurück, dass sich letztlich keine Macht durchsetzen konnte und die Unabhängigkeit der Schweiz erhalten blieb, zumal auch in der Schweiz selbst die Meinungen zu den diskutierten Lösungen stark auseinandergingen. Die Grossmächte wollten, so André Holenstein (2014), "eine Wiederholung der Erfahrung der Jahre 1798 bis 1813 unbedingt vermeiden", als mit Frankreich eine einzelne Grossmacht den Raum der Schweiz unter ihre Kontrolle gebracht hatte. Für eine neutrale Schweiz eingesetzt hatte sich am Wiener Kongress dabei besonders der Genfer Politiker Charles Pictet de Rochemont.» (Wikipedia zur Neutralität der Schweiz [Ende Mai 2021]). Dieser Artikel zeugt von der unruhigen Situation nach dem Ende der Alten Eidgenossenschaft (im Zuge der französischen Bürgerrevolution und der Zeit der Aufklärung - 1798).

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Das Rote Kreuz. Eigentlich ist das Rote Kreuz nicht eine Staatssache, trotzdem wird die Schweiz oft damit in Verbindung gebracht (nicht zuletzt auch natürlich dank des Wappens des Roten Kreuzes, welches dasselbe ist wie das Schweizer Wappen, nur mit vertauschten Farben). Im Vordergrund bei der Gründung des Roten Kreuzes, welches ursprünglich ein Hilfswerk für Kriegsopfer bzw. Verwundetenpflege war (und heute allgemein für Katastrophenhilfe gilt), steht natürlich die Person von Henry Dunant (1828-1910), obwohl er es 1863 unter dem Namen 'Komitees der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege' (seit 1876 Internationales Komitee des Roten Kreuzes IKRK) in seiner Heimatstadt Genf mit drei weiteren Bürgern (Appia, Maunoir und Moynier) zusammen gründete. Dunant, welcher 1859 als Geschäftsmann unvermittelt in die Schlacht von Solferino in Italien geraten war und sich über die Kriegsgräuel und die schlechte medizinische Versorgung entsetzt hatte, aber war der Hauptinitiant. Das Rote Kreuz steht international irgendwie mitbedeutend für die Schweiz des 20. Jahrhunderts, eine Schweiz, in welcher ferner auch die UNO und das IOK ansässig wurden, und die auch bekannt war für ihre diplomatischen Dienste und ferner natürlich für ihre Direkte Demokratie. Daher kann man die Gründung des Roten Kreuzes sicher symbolisch mit zu den Sternstunden der Schweiz zählen; in seiner Abschiedsrede vor dem Parlament meinte Bundesrat Merz 2010: "Im Lande von Pestalozzi und Dunant besitzt Solidarität Tradition." Er nannte damit die zwei vermutlich bedeutendsten Humanisten der Schweizer Vergangenheit.

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Die Direkte Demokratie. Die Schweiz ist das einzige Land, welches auf Staatsebene eine Direkte Demokratie besitzt. Aber was bedeutet das überhaupt bzw. woher kommt dieser Begriff? Die grösste Bedeutung haben dabei zwei politische Schweizer Institutionen, die im 19. Jahrhundert, in den Anfängen des Bundesstaates, begründet wurden: die Einführung des Referendumsrechts 1874 und die Einführung des Initiativrechts 1891. Das Volk kann in der Schweiz über die Parlamentswahlen hinaus politisch mitbestimmen: es gibt gewisse Dinge, welche die Regierung dem Volk zur Abstimmung vorsetzen muss, andererseits gibt es auch die Möglichkeit von Initiativen, welche direkt aus dem Volk heraus kommen. Das ist die Direkte Demokratie (und nicht mehr eigentlich und nicht weniger als das). Man sollte diese weiterführende Demokratie, die über eine reine Wahlrepublik hinaus geht, nicht über- und nicht unterschätzen. Sie bedeutet nicht, dass man die Volksrechte nicht weiter ausbauen könnte, sie bedeutet auch nicht (und schon gar nicht), dass das Volk immer die richtigen Entscheidungen trifft, und sie bedeutet ferner auch nicht, dass das soziologische Gefüge im Volk perfekt funktioniert. Es bedeutet nur, aber immerhin, dass man hier ein bisschen mehr Demokratie hat als anderswo. Und das gehört natürlich absolut zu den Sternstunden. Die Schweiz gilt deswegen zuweilen auch als internationales Vorbild in Sachen Demokratie. Im Zusammenhang mit der Einrichtung der Direkten Demokratie steht auch die Einrichtung der modernen Sozialwerke (die heutige Gesellschaft basiert politisch v.a. auf einer liberalistischen, demokratischen und sozialistischen Bewegung). Gibt es zur alten Eidgenossenschaft ein einziges Grunddatum: 1291, so gibt es für die moderne Schweiz und deren Direkte Demokratie vermutlich drei: 1848, 1874 und 1891.

Obwohl die Schweizer heute auf die Direkte Demokratie fast so stolz sind wie auf die Neutralität, kennt kaum jemand die Namen derer, welche sie hervorgebracht haben. Die (direkt-) demokratische Bewegung begann in Winterthur - mit Volkskundgebungen gegen die liberale Regierung und die heimliche Herrschaft des Wirtschaftskönigs Escher - und schuf den Anfang der Direkten Demokratie im Kanton Zürich (1867-1870). Das Programm dieser demokratischen Opposition wurde angeführt von Johann Jakob Sulzer - nicht zu verwechseln mit dem Industriellen gleichen Namens - und Salomon Bleuler (einem Philologen, Historiker und Philosoph und einem Theologen, Redaktor und Verleger - in der Folge wurden weitere philosophische Persönlichkeiten bedeutend für die Entstehung der Direkten Demokratie auf nationaler Ebene wie etwa Carl Hilty oder Friedrich Albert Lange). Eine kurze, friedliche, schweizerische Revolution, quasi - einmalig in dieser Art in der Weltgeschichte. (Ich sage dies nicht, um die Rolle der Philosophen und Geisteswissenschaftler in der Schweizer Politik hochzuspielen oder zu übertreiben, sondern um auf diese aufmerksam zu machen, denn sie ist in der höchst wirtschaftsorientierten Schweiz des 20. Jahrhunderts grösstenteils vollkommen unbekannt geblieben und verschwiegen worden. Im Zusammenhang zwischen Politik und Philosophie gilt es ebenfalls auf die bedeutende Rolle von Ignaz Vitalis Troxler zur Zeit der Entwicklung des Bundesstaates hinzwuweisen sowie auf die Bedeutung der Helvetischen Gesellschaft - in der Zeit der Aufklärung im 18. Jahrhundert - bei welcher ebenfalls philosophische Persönlichkeiten sehr bedeutend waren, wie Isaak Iselin oder Hans Caspar Hirzel. Wenn man diesen bedeutenden historischen Zusammenhang von Philosophie und Politik in der früheren Schweiz sieht, kann man sich fragen, ob die Philosophen heute zu weit von der Politik entfernt sind, oder die Politiker zu weit von der Philosophie [oder beides - oder ob gar die Philosophie zu weit weg ist von sich selber, oder die Politik zu weit weg von sich selber (oder beides)].)

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Der Bau des Gotthardtunnels. Die Alpen haben für die Schweiz nicht nur eine symbolisch-geografische, sondern auch eine wirtschaftliche Bedeutung. Diese ergibt sich weniger aus der reinen Alpenwirtschaft, und vielmehr aus der Alpenüberquerung. Die Alpen sind natürlich ein wichtiges und gewaltiges Verkehrshindernis auf der Nord-Süd-Achse des europäischen Binnenverkehrs. Und daher waren auch alle Gotthardverkehrsmassnahmen besonders wichtig für die Schweiz. 1230 die Öffnung des Gotthards für den Verkehr über die neu gebaute Brücke über die Schöllenenschlucht (auch: 'Teufelsbrücke' - ein grosses Wagnis für die damalige Zeit), 1595 die Ersetzung dieser Holzbrücke durch eine steinerne, der abschnittweise Ausbau des Gotthardweges, 1830 die Vollendung der Gotthardstrasse und schliesslich 1882 die Einweihung des Gotthardtunnels für den Bahnverkehr. Im Vergleich: die Österreicher waren beim ebenfalls bedeutenden Brennerpass mit dem Strassenausbau früher dran (1772), sind aber erst heute am Bau eines Bahntunnels (erste Machbarkeitsstudien 1989, geplante Fertigstellung 2025-2027 - eine Brennerbahn gibt es allerdings bereits seit 1867). Ein grosses und bedeutendes Bauwerk also zu jener Zeit, mit einer grossen Bedeutung für die Schweizer Exportwirtschaft (und mit einer grossen Symbolik für die Schweizer Wirtschaft überhaupt).

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Die weltkriegslose Schweiz. Der Schweizer Schriftsteller Dürrenmatt hat sich ausgiebig mit diesem Thema beschäftigt: die Schweiz war immer - in der neueren Zeit - davongekommen (so bezeichnete es Dürrenmatt), musste sich dann aber mitunter auch als Kriegsgewinnler bezeichnen lassen. Teils wurde sie sogar auch etwa verdächtigt, mit dem Naziregime in Deutschland kooperiert zu haben - wie weit diese Kooperation politisch und ökonomisch ging, ist umstritten (politisch hat es in der Schweiz kein relevantes Faschistentum gegeben [oder: dieses bzw. Ansätze davon wurden so geschickt niedergehalten, dass es im Vergleich mit anderen europäischen Staaten jener Zeit nur eine relativ kleine Rolle spielte]). Sicher versuchte man, mit allen möglichen Mitteln den Krieg gegen die damalige deutsche Kriegsmaschinerie zu vermeiden. Die aussenpolitische Situation war für die Schweiz im Zweiten Weltkrieg so schlimm, dass sie kaum hätte schlimmer sein können - man befand sich als kleines, neutrales Land mitten unter jenen Ländern, welche die Hauptkriegsgegner, schon im Ersten Weltkrieg, waren: Deutschland und Frankreich (dazu kamen die zu jener Zeit ebenfalls faschistisch ausgerichteten Staaten von Italien und Österreich sowie das ebenfalls besetzte Frankreich) - die Schweiz war als neutrales und friedliches Land eingekesselt von Nationen, die sich mitten im schlimmsten Krieg der Weltgeschichte befanden. Dass die Politik in einer solchen Zeit nicht absolut ohne Fehl und Tadel sein kann, ist verständlich - die Schweizer haben sich aber relativ gut aus dieser maximal schwierigen Situation herausgewunden, was eine politisch relativ bedeutende Tatsache und Leistung an und für sich ist. Einmalig auch: seit rund 200 Jahren besitzt die Schweiz eine konstante Landesgrenze, und dies eben durch zwei schlimme Weltkriege hindurch (1919 wurde ein Anschlussbegehren des Vorarlbergs vom Bundesrat abgelehnt mit der Begründung der [sprach-] kulturellen und religiösen Ausgewogenheit).

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Die beiden grossen (Welt-) Dichter. Nicht alle Schweizer würden vermutlich die grossen Dichter Frisch und Dürrenmatt zu den grössten Sternstunden der Schweiz zählen (und sie als 'Nationaldichter' zu bezeichnen wäre verwegen). Die Intellektuellenkritik war zu jener Zeit in der Schweiz noch fast schlimmer, als sie heute ist - und Schriftsteller wurden nicht selten als linke Kommunisten abgetan (Stichwort: 'Moskau einfach'). Zugegeben: die beiden grössten Schriftsteller, welche die Schweiz je hatte, waren überaus kritische Geister. Frisch mit seiner trockenen Generalkritik und Dürrenmatt mit seiner grotesken Alleszermalmerei - fürwahr keine einfachen Schriftsteller. Aber grosse - sie waren wohl zu ihrer Zeit nach Brecht die grössten Theaterautoren im gesamten deutschsprachigen bis sogar europäischen Raum (dabei profitierten sie auch von einer gewissen Schwäche in der deutschen Schriftstellerei nach dem Zweiten Weltkrieg). Den Literatur-Nobelpreis bekamen sie wohl nur deswegen nicht, weil zuvor schon zwei Schweizer damit ausgezeichnet worden waren: Spitteler 1919 und Hesse 1946 (je just nach den beiden Weltkriegen, notabene), und weil man beide hätte auszeichnen müssen, weil sie irgendwie gleich bedeutend waren - das war dem Nobelpreiskomitee dann wohl doch zuviel des Guten. Wer die grössten Sternstunden in der Schweizer Kunst und Kultur sucht, kommt an Frisch und Dürrenmatt aber sicher nicht vorbei.

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Geprägt war die Schweiz im 20. Jahrhundert - und v.a. in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (welche als goldene Zeit in die Geschichte der Schweiz eingehen könnte) - vom politischen Gegensatz zwischen den Liberalisten und den Sozialisten - die beiden Schriftsteller oben gehören zur kritischen Schweiz, während die drei Ereignisse unten für die wissenschaftliche und erfolgreiche Schweiz stehen. Ich habe bewusst die kritischen Schriftsteller gewählt, damit allen klar wird, dass die Schweiz neben ihren vielen positiven Seiten auch fragwürdige Seiten hat - Frisch und Dürrenmatt waren jene, welche diese Fragen gestellt haben. Daneben können sie auch als künstlerische Gallionsfiguren eines wachsenden Schweizer Selbstverständnisses in der Nachkriegszeit gesehen werden, in welcher die Bedrohung durch die Nachbarstaaten wegfiel (dann aber in Form der wachsenden Europäischen Union - inkl. der schwierigen Fragen vom zukünftigen Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU - erneut auf die Schweiz zutrat [bedrohlich oder nicht? Klar ist eigentlich nur, dass die Schweiz heute ein relativ grosses Problem hat in ihrer politischen Ausrichtung der Zukunft.]).



Swiss International: Die Relativitätstheorie, das World Wide Web und eine weltpolitisch relevante Gipfelkonferenz.

Dies sind weitere, Schweizer Höhepunkte im 20. Jahrhundert mit einem internationalen Bezug - oder die andere Schweiz: ein Platz für Weltgeschichte, Wissenschaft und Technik. Die bedeutendsten Ereignisse im 20. Jahrhundert waren in der Schweiz natürlich eigentlich die beiden grossen wissenschaftlichen und technischen Highlights: die Relativitätstheorie 1905 von Einstein in Bern und das World Wide Web 1989-1991 von Berners-Lee am CERN in Genf. Diese beiden Ereignisse haben die Welt verändert und werden vielleicht für immer, jedenfalls für lange Zeit, dafür sorgen, dass die Schweiz ein weltweiter Faktor ist (auch wenn es Ausländer waren, die das hier vollbracht haben). Trotzdem werden diese Ereignisse gewöhnlich nicht als typisch schweizerisch betrachtet, weil sie von internationalen Wissenschaftlern stammen. Jedenfalls wenn man an grosse Personen der Kultur in der Schweiz im 20. Jahrhundert denkt, kommen einem zuerst die Namen von Frisch und Dürrenmatt in den Sinn (und erst in einer zweiten überlegung vielleicht Relativitätstheorien und weltweite Netze). Auch (welt-) politisch war die Schweiz im 20. Jahrhundert sehr bedeutend, das zeigt die Einrichtung des Völkerbundes 1920 in Genf (während sich die UNO 1945 in New York niederliess, Genf aber ein wichtiger Nebenschauplatz auch der UNO blieb*) sowie die verschiedenen internationalen Friedenskonferenzen, etwa jene von Lausanne (1912/13 und 1922/23), Locarno (1925) oder Genf (1955), am Bedeutendsten war aber wohl jene von 1985, weil sie nicht nach einem Krieg, sondern während des Kalten Krieges stattfand: Reagan und Gorbatschow führten damals in Genf bedeutende Gespräche über das Ende des Kalten Krieges. Das zeigt, dass das Image der Schweiz als 'Supermacht des Friedens' (quasi) bis in die 1980-er Jahre noch bestanden und angehalten hat. Heute herrschen in der Schweiz etwas andere Voraussetzungen: die Schweiz ist nicht mehr eine Insel des Friedens inmitten von schlimmen Weltkriegen und/oder eines grossen Kalten Krieges, sondern sie ist ein Land in einer kleineren oder grösseren Identitätskrise, in welcher die innere Selbstbehauptung ebenso gestiegen scheint, wie die Weltbedeutung der Schweiz gesunken ist (und die aussenpolitische Hauptfrage der Schweiz ist derzeit auch nicht mehr jene nach ihrer Weltbedeutung**, sondern v.a. jene nach ihrer Bedeutung in Europa). Das 20. Jahrhundert war sicher in verschiedenerlei Hinsicht das grösste in der Schweizer Geschichte bisher.

* Ohne den Zweiten Weltkrieg wäre wahrscheinlich der Völkerbund auch heute noch in der Schweiz - ein interessanter aber müssiger Gedanke.

** Man muss dazu anführen, dass es bedeutende diplomatischen Aktivitäten der Schweiz auch heute noch gibt: so vertritt sie etwa in Konfliktregionen teils andere Nationen, und sie ist dabei neutral bzw. so neutral wie möglich. Diese Aktivitäten sind nicht mehr ganz so spektakulär wie früher teils, und darum werden sie auch weniger wahrgenommen heute.



Tagesschausendung der ARD zum Gipfeltreffen von Reagan und Gorbatschow 1985.




Dokumentarfilm 'Albert Einstein' zur Relativitätstheorie.



Kurzinterview zur Erfindung des World Wide Webs.

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100 Schweizer Persönlichkeiten. Die bedeutendste Umfrage über die grössten Schweizer Persönlichkeiten stammt von der "Sonntagszeitung" (Januar 2009).

1. Albert Einstein, 2. Gottlieb Duttweiler, 3. Roger Federer, 4. Johann Heinrich Pestalozzi, 5. Henri Dunant, 6. Paracelsus, 7. Nicolas Hayek, 8. Claude Nicollier, 9. Alfred Escher, 10. Leonhard Euler, 11. Friedrich Dürrenmatt, 12. Le Corbusier, 13. Jean-Jacques Rousseau, 14. Mani Matter, 15. Henri Guisan, 16. Max Frisch, 17. Willi Ritschard, 18. Huldrych Zwingli, 19. Carla del Ponte, 20. Niklaus von Flüe, 21. Carl Lutz & Gertrud Lutz, 22. Jean Calvin, 23. Hans-Peter Tschudi, 24. Jean Ziegler, 25. Hans Küng, 26. Maria Bernarda Bütler, 27. Jacob Burckhardt, 28. Karl Barth, 29. Johann Caspar Lavater, 30. Christoph Blocher, 31. Auguste Piccard, 32. Guillaume-Henri Dufour, 33. Johanna Spyri, 34. Hermann Hesse, 35. Emil Steinberger, 36. Albert Hofmann, 37. Jeremias Gotthelf, 38. Carl Gustav Jung, 39. Bernhard Russi, 40. Elisabeth Kübler-Ross, 41. Kurt Furgler, 42. Polo Hofer, 43. Louis Chevrolet, 44. Albrecht von Haller, 45. Jo Siffert, 46. Meta von Salis, 47. Jean Tinguely, 48. Gottfried Keller, 49. Johann Rudolf Wettstein, 50. Jean Rudolf von Salis, 51. Rudolf von Habsburg, 52. Gertrud Heinzelmann, 53. Friedrich Traugott Wahlen, 54. Alberto Giacometti, 55. Robert Walser, 56. Ferdy Kübler, 57. Pirmin Zurbriggen, 58. Cäsar Ritz, 59. Theodor Tobler, 60. Elisabeth Kopp, 61. Ferdinand Hodler, 62. Paul Klee, 63. Vreni Schneider, 64. Robert Grimm, 65. Rudolf Minger, 66. DJ Bobo, 67. Erich von Däniken, 68. Sepp Blatter, 69. Abraham Louis Breguet, 70. Jakob Bernoulli, 71. Ursula Andress, 72. Adrian Frutiger, 73. Jacques Herzog & Pierre de Meuron, 74. Meret Oppenheim, 75. Charles Ferdinand Ramuz, 76. Walter Mittelholzer, 77. Jonas Furrer, 78. Francesco Borromini, 79. Maximilian Bircher-Benner, 80. Fritz Leutwiler, 81. Julius Maggi, 82. Werner Arber, 83. Jean Piaget, 84. Ferdinand de Saussure, 85. Niklaus Wirth, 86. Max Bill, 87. Dieter Meier, 88. Conrad Ferdinand Meyer, 89. Adrian Wettach, 90. Othmar Ammann, 91. Robert Maillart, 92. Carl Spitteler, 93. Adolf Wölfli, 94. Martina Hingis, 95. Franz Schnyder, 96. Niklaus Riggenbach, 97. Auguste Forel, 98. Tadeus Reichstein, 99. Arnold Böcklin, 100. Jean-Luc Godard.

Wer fehlt in dieser Liste? Ein paar Namen: Jakob Ammann, Albert Anker, Daniel Bernoulli, Eugen Bleuler, Mario Botta, François-Louis Cailler, Blaise Cendrars, Francesco Chiesa, Arthur Cohn, Alain de Botton, Jean-Charles-Léonard Simonde de Sismondi, Élie Ducommun, Kurt Felix, Kurt Früh, Bruno Ganz, Jeanne Hersch, Franz Hohler, Eugen Huber, Karl Jaspers, Theodor Kocher, Hugo Loetscher, Adolf Muschg, Ulrich Ochsenbein, Hazy Osterwald, Ludwig Pfyffer, Liselotte Pulver, Margrit Rainer, Alfred Rasser, Jost Ribary, Hans Saner, Matthäus Schiner, Jörg Schneider, Philipp Albert Stapfer, Teddy Stauffer, Alain Tanner, Ignaz Paul Vitalis Troxler, Ägidius Tschudi, Tony Vescoli, Adrian von Bubenberg, Albrecht von Haller, Hans Waldmann, Ruedi Walter, Urs Widmer, Dieter Wiesmann.

Die Frauen spielen in dieser Liste keine allzu grosse Rolle. Die vermutlich bekannteste Schweizer Frau ist... Tina Turner. Sie wurde aber erst 2013 eingebürgert und war daher gar keine Option für diese Liste. Die bedeutendste gebürtige Schweizerin aller bisherigen Zeiten ist vermutlich Johanna Spyri - immerhin ist ihr 'Heidi' die bekannteste Schweizer Figur weltweit. Sie steht - was viele nicht wissen - mit ihrem Buch über das heimatverbundene Schweizer Mädchen unter den Top-20-Bestsellern der Literaturgeschichte; und dies ist auch das zweitmeistverkaufte deutschsprachige Buch nach dem kommunistischen Manifest von Marx und Engels (das heisst: es ist das meistverkaufte Buch deutscher Belletristik, vor allen Goethes, Schillers und wie sie alle hiessen).

Und wer ist eigentlich Gottlieb Duttweiler, der hier eigentlich zur bedeutendsten (nicht-eingebürgerten) Schweizer Persönlichkeit gewählt wurde? Er war der Begründer des Warenhauses Migros und der politischen Partei des Landesrings der Unabhängigen LdU, welcher zwar 1999 (just vor der Jahrtausendwende also) leider unterging, zuvor aber die bedeutendste Schweizer Oppositionspartei in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war! Der LdU vertrat - als Partei der Eigenwilligen und Unabhängigen - eine sozial-liberale Politik zwischen den Fronten und vertrat als erste Schweizer Partei grüne Anliegen (dies wurde ihm wohl auch zum Verhängnis, als er in den späteren 1980-er und v.a. in den 1990-er Jahren von der Grünen Partei überholt wurde [und keinen neuerlichen erfolgbringenden politischen Wandel mehr zustande brachte]). -> Dutti, der Riese - Dokumentarfilm (in voller Länge) [der Film wurde auf der Migros-Seite gelöscht, ist aber derzeit auf Youtube zu sehen].

Lang ist die Liste von mehr oder weniger berühmten Ausländern und Ausländerinnen, die kürzer oder länger in der Schweiz lebten - sie umfasst u.a. Tim Berners-Lee, Charles-Louis-Napoléon Bonaparte (Napoléon III.), Charles Chaplin, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Benito Mussolini, Friedrich Wilhelm Nietzsche (staatenlos, Bürger von Basel, nicht aber von der Schweiz), Aristoteles Onassis, Yoko Ono, Michael Schumacher, Wladimir Iljitsch Uljanow (Lenin). Praktisch alle grösseren Schweizer Städte sind auch grosse Kultur- und Universitätsstädte sind, mit grossen Persönlichkeiten - Zürich (Lenin*, Pestalozzi, Zwingli, Brecht, Frisch - und natürlich Gottlieb Duttweiler), Basel (Erasmus, Nietzsche, Jung, Barth, Jaspers - und natürlich Alfred Rasser), Bern (Einstein*, Hegel, Dürrenmatt, Hesse*, Bakunin - und natürlich Mani Matter), Genf (Rousseau, Voltaire, Calvin, Piaget, De Saussure - und natürlich Jean Ziegler), u.v.a. (es kommen all jene dazu, welche die Schweiz besucht haben, hier in den Ferien gewesen sind oder auch hier öffentlich aufgetreten sind: das ist eine immense Zahl von Kultergrössen aller Arten und Weisen, die sich in der Schweiz aufgehalten haben). Die Schweiz als Kulturzentrum Europas (was sie effektiv v.a. während der beiden Weltkriege war [während des ersten v.a. in Bern, während des zweiten eher in Zürich]) - das ist noch viel zu wenig bekannt. * Lenin lebte auch in Bern und Genf, Einstein und Hesse auch in Zürich.

Und dies... Im Jahr 2023 hat Detlef Staude, ein deutscher Philosoph in der Schweiz, ein interessantes Buch zur Schweizer Philosophie geschrieben - mit dem Titel: "Drehschreibe der Philosophiegeschichte - Philosophisches Denken in und aus der Schweiz". Zwei Dinge sind besonders interessant bezüglich der Schweizer Philosophie - erstens: das, was Staude sagt, wobei er übrigens keineswegs übertreibt (wie vielleicht eine Reihe von zehn Namen von bedeutenden Intellektuellen in der Schweiz zeigt: Erasmus - Paracelsus - Voltaire - Rousseau - Pestalozzi - Hegel - Nietzsche - Einstein - Lenin - Küng (in Memoriam: Hans Küng im Gespräch), und es gibt so viele interessante Namen mehr!), zweitens: dass in der Schweizer Geschichte, was nur wenige wissen, fast immer Philosophen mit im Spiel waren, wenn etwas Wichtiges und Entscheidendes geschehen ist (allen voran: Iselin [Aufklärung], Troxler [Bundesstaat], Lange [Direkte Demokratie], evtl. ganz früh sogar schon Von Flüe [Neutralität]). Ich habe in meinem zweiten Buch (2016) bereits ein Kapitel geschrieben namens: 'Kleiner Exkurs zur Geschichte der Schweizer Intellektuellen' (wo ich u.a. darauf hinweisen wollte, dass es so etwas wie eine Schweizer Philosophie und Intellektualität überhaupt gibt), und ich werde in meinem nächsten Buch noch einmal einen Kommentar zur Schweizer Philosophie machen. In der Schweiz wird das alles kleingehalten (wenn nicht sogar verleugnet), denn in der Schweiz zählt eigentlich nur... die Wirtschaft!? Aber, wie sagt doch schon Duttweiler (sinngemäss): 'Da ist ja noch so viel mehr dahinter - und das möchte ich einmal sehen.' (Die Schweiz hat übrigens auch heute berühmte Namen zu bieten, wenn es um die interkulturelle Philosophie/Diskussion geht - ganz abgesehen von Küngs Weltethospostulat - etwa mit Tariq Ramadan oder John Mbiti, oder auch dem sinologischen Schweizer Philosophen Iso Kern.)


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